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Marti, Kurt (1921–2017)

 

* 31.1.1921 Bern, † 11.2.2017 Bern; Heimatort: Lyss.

Pfarrer und Dichter
 

 
 

Kurt Marti 1952

 

Kurt Marti ist am Samstag, den 11. Februar 2017, in Bern verstorben. Er war der erste Pfarrer von Niederlenz. Als Sohn des Notars Hans und der Olga Marti-Kaiser ist er am 31. Januar 1921 in Bern zur Welt gekommen. Hier wuchs er mit seinem älteren Bruder auf und besuchte die städtischen Schulen. Am Freien Gymnasium Bern war Friedrich Dürrenmatt sein Klassenkamerad. Nach zwei Semestern an der juristischen Fakultät der Universität Bern brachten ihn die Schriften Karl Barths zur Theologie. 1941 begann er das Studium in Bern und führte es 1945/46 in Basel bei Karl Barth weiter. 1948 erfolgte seine Ordination, danach war er ein Jahr für die ökumenische Kommission der Kriegsgefangenenseelsorge in Paris tätig.

Im Oktober 1949 wurde die Kirche in Niederlenz eingeweiht, ab dann wirkte Kurt Marti hier als Pfarrhelfer. Im Januar 1950 heiratete er Johanna Katharina Morgenthaler aus Langenthal, im Februar 1950 zog er mit ihr an den Kirchweg nach Niederlenz und im November des gleichen Jahres kam ihr erstes Kind zur Welt. Sie bekamen insgesamt drei Söhne und eine Tochter, alle in Niederlenz. Am 2. März 1952 wurde er als Pfarrer gewählt und im Mai 1955 konnte er mit seiner Familie das neu erstellte Pfarrhaus am Höhenweg beziehen. In Niederlenz begann er mit dem Schreiben von Gedichten, Erzählungen und Essays, es hiess, um einer Mittlebenskrise vorzubeugen. 1959 erschienen seine beiden ersten Gedichtbände. Einer heisst "Boulevard Bikini", in dem auch ein paar Verse über unsere Gemeinde abgedruckt sind. Die Seelsorge in unserem Arbeiterdorf schärfte sein politisches Bewusstsein, so dass seine Stellungsnahmen später stets zugunsten der Benachteiligten ausfielen. Mit seinen Gedichten, Erzählungen, Tagebüchern und Essays nahm er nachdenklich, spielerisch und witzig Stellung zum politischen und kulturellen Zeitgeschehen.
Ende 1960 verliess er Niederlenz und zog nach Bern, wo er Pfarrer an der Nydegg-Kirche geworden ist und diese Stelle bis 1983 innehatte.
Aufsehen erregte er mit seinen Mudartgedichten, die er unter dem Titel "rosa loui" 1967 erstmals  veröffentlichte, und die den Rahmen der damaligen Mundartliteratur sprengten und die heimattümelnde Schrebergärtchenthematik hinter sich liessen. Mit seinen Gedichten wurde er über die Landesgrenzen hinaus bekannt, und man bedachte ihn mit verschiedenen Preisen.
Im Jahr 2016 ehrten die Solothurner Literaturtage Kurt Marti mit einer Hommage.
 
 

Niederlenz

 

Ställe schlafen mit Automobilen

und Fische sterben im Aabach.

Morgen defilieren die Wiesen

an Schlössern vorbei ins Exil.

(in: Boulevard Bikini, Vorstadtpresse, Biel 1959)

 
     
 

 
 

Holzschnitt von Ernst Weber, Lenzburg, zu Martis Gedicht

 
     
 

dorf im aufschwung

niederlenz 1950-1960

 

stolz ach blickte lenzburg das städtchen

 (mit thronendem schloss mit eigener zeitung

  und gelehrten neujahrsblätter auch)

   auf das ruhmlose dorf am unterlauf

    des aabachs herab

 

denn dort paradierten keine kadetten

 dort war kein wedekind aufgewachsen

  dort komponierte kein peter mieg

   und verkehrte auch günter grass nicht –

    dort lebten kleine büezer und bürger

 

samt vielen zuzügern aus anderen kantonen:

 eine mundartreiche dorf-schweiz

  vom wirtschaftsaufschwung beflügelt

   mit ab und zu sozialen gewittern und

    immer mehr italienern in den fabriken

 

unter bescheidenen dächern: eine welt

 bunt schillernd in lust und entzweiung

  zwischen lachen und weinen leben und sterben

   und alle wohl glaubten von allen fast alles

    zu wissen – viel aber blieb geheimnis

(in: kleine zeitrevue, Verlag Nagel & Kimche AG, Zürich 1999)

 
 
Quelle und Schrift:

Kurt Marti verstorben. Ein Citoyen im besten Sinne, in: NZZ 11.2.2017.

   
  Konfirmanden mit Kurt Marti 1960  

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17. Herbsting 2017

Stand: 11.03.20